Thursday, April 12, 2012

Views of Syrians (rarely reported in English media)

Ja, es herrsche Krieg im Land, sagt Jihad, aber es gebe auch einen Medienkrieg. Jede Konfliktpartei beeinflusse die Medien in ihrem Interesse. Der Westen und besonders die USA hätten großes Interesse an der Region, ergänzt Somer. Nach ihrem Scheitern in Afghanistan und Irak wollten sie nun mehr Einfluß in Syrien gewinnen, um die anderen Niederlagen auszugleichen. Vieles sei falsch gemacht worden in Syrien, doch die USA hätten davon profitiert. Er bezweifle, daß die Vereinigten Staaten wirklich den Syrern zu mehr Menschen- und Bürgerrechten verhelfen wollten: »Washington geht es nur um die eigenen Interessen«.

Jeder verfolge seine eigenen Interessen, wirft Safwan ein. Und jeder habe seinen eigenen Blickwinkel, von dem er diese bestimme, auch die Opposition. Die Medien konzentrierten sich lediglich auf die »Brennpunkte« und die Orte, wo gekämpft werde, sie berichteten aber nicht über Lösungsvorschläge. Syrien liege an einem wichtigen geopolitischen Punkt, und damit meine er nicht das Land, das seit dem Sykes-Picot-Abkommen (16. Mai 1916, Frankreich und Großbritan­nien teilen die osmanischen Provinzen Syrien und Irak/Mesopotamien unter sich auf) bestehe. Er spreche von der historischen Nation Syrien. Diese sei ökonomisch, wirtschaftlich und kulturell eine Drehscheibe mit seiner Lage zwischen dem Mittelmeer und Asien, zwischen Nord und Süd. Doch Syrien sei nicht nur wirtschaftlich für viele interessant, es sei zudem das »Zentrum eines moderaten Islam«, der Ort, wo Extreme miteinander rängen. Die russischen Interessen in Syrien wiederum brauchten eine Führung wie das »Assad-System«. Rußland wolle verhindern, daß vom Golf Ölpipelines direkt nach Europa durch Syrien gebaut werden. In der Region werde also ein Interessenskonflikt der Supermächte ausgetragen. Israel spiele dabei ein doppeltes Spiel, ergänzt Jihad, der Safwan zustimmt. Einerseits unterstütze Israel Assad, andererseits koordiniere es die Aktivitäten der Opposition.

Julia wendet ein, daß sich das Ganze doch sehr nach einer Verschwörung anhöre. Für die Proteste in Syrien gebe es ganz klare Gründe. Doch, ein Teil des Konflikts sei tatsächlich eine Verschwörung gegen die syrische Führung, meint Safwan. Natürlich habe das syrische Volk ganz klare Interessen. Tel Aviv habe immer einen Weg gesucht, Syrien zu übernehmen, fährt Jihad fort. Über Teile der Opposition und über die Medien habe Israel nun einen Weg gefunden und verfolge natürlich seine Ziele.

Julia ist nicht zufrieden mit der Einschätzung und kritisiert, daß Israel immer angeführt werde, wenn es um innersyrische Schwierigkeiten gehe. Ihrer Ansicht nach seien die Syrer einem großen ökonomischen Druck ausgesetzt gewesen, »ihr Lebensstandard war sehr niedrig«, fährt sie fort. Darum hätten die Proteste begonnen. Selim stimmt nachdenklich zu. Die Syrer hätten die letzten zehn Jahre unter enormem Druck gestanden. In der Tat gebe es seit Jahren eine ausländische Verschwörung gegen Syrien, doch »kann das auf keinen Fall legitimieren, was hier bei uns geschieht«. Julia nickt heftig und meint, als alles in Deraa anfing, habe das mit einer Verschwörung nichts zu tun gehabt. Alle stimmen zu, das sei unstrittig. »Natürlich haben wir hier in der Geschichte immer wieder Verschwörungen gehabt«, sagt Selim in seiner ruhigen Art. »Aber was hier bei uns geschieht, egal ob wir es Protest oder Revolution oder wie auch immer nennen, es begann aus guten und richtigen Gründen«. Andere Leute hätten das ausgenutzt und den Protesten ihre eigenen Interessen übergestülpt und sie damit schließlich verdrängt.

Leider sei das Volk durch die Ereignisse nun völlig gespalten, ebenso wie die Medien, fährt Selim fort. Als Beispiel nennt er den syrischen Fernsehsender Dunia TV und Al Dschasira, die jeweils das Gegenteil verbreiteten. »Keiner ist ganz ehrlich, oder besser gesagt, keiner berichtet wirklich neutral.«

Die Leute, die für Dunia TV oder für Al Dschasira arbeiten, vertreten die Interessen der jeweiligen Sender, fügt Somer hinzu. Genauso sei es mit dem Internet und Facebook. Alles, was dort verbreitet werde, gebe immer nur die Sicht einer Seite, vielleicht auch nur einer Person wieder, es seien keine neutralen Informationen. Dunia TV habe sich zwei Monate lang fast ausschließlich darauf konzentriert, jeden Bericht, der von Al Dschasira verbreitet worden ist, zu widerlegen. Wenn Al Dschasira zum Beispiel eine bestimmte Zahl von Toten in Homs meldete, brachte Dunia TV sofort »neueste Nachrichten« und wies die Behauptungen zurück. Das habe vor allem innenpolitische Gründe gehabt, sagt Jihad. Sehr viele Menschen sähen Al Dschasira und glaubten alles, was dort gezeigt wird." (thanks Peter)